Lesestoff

Ewart Reder proudly presents: Tanja Dückers, Axel Dielmann, Vanessa Verzay, Muepu Muamba, Danica Schäfer, Joachim Durrang, Cornelia Kube-Druener, Jörg Simon, Ewart Reder u. ? ? ? schreiben und gestalten für dich. Scroll over our scripture roll!

Frühe Biografie

Aus Rüben und Kraut wucherte ich 
Kartoffelkäfer
krabbelte über grüne Pflanzen
fraß ernährte mich
hörte Schlagermusik
lauschte in den Nächten dem Tanz
griechischer Athleten 
dachte in steinernen Körpern
landete auf Platons Nase
seine Pupillen beobachteten mich

Joachim Durrang

Nachtmusik

Nachts singen Plastikblumen am Fenster
Das Hohe C zerklirrt ein Glas
In der Glühbirne dreht sich
eine Fliege
surrt anhaltend
in der Kugel

Joachim Durrang

Flüchtlinge

Flüchtlinge gleiten über die Berge
schlüpfen durch Fensterritzen
auf dem Meer steigt aus einer Welle
ein Flüchtender
Auf fliegendem Pferd
reitet der Fremde 
einem Sonnenschatten entgegen
springt ins Gras
einer fremden Wiese

Joachim Durrang

Nachtblüte

Nachts sind alle Katzen violett
Ein grüner Mond blüht
Blütenblätter sinken
Die Wolke zupft sie aus
der Kater liebt dich liebt dich nicht
Nächtliche afrikanische Figuren
wandern durch Hausschatten
wanken zwei Schritte vor
und einen zurück
im Gesang einer Trommel

Joachim Durrang

Psychiatrie

Pfleger begrüßten mich guten Tag Herr Dichter
Ich las vor Napoleon Mao Stalin
Adolf Hitler bewegte
ein Plastikflugzeug in der Hand
übte die Bombardierung Moskaus

Joachim Durrang

© Ewart Reder

Das Gestrüpp macht alle meine Beine blutig.
Schau da hab ich Haare wie der Fuchs.
Brutal ich seh der offenen Bäume Adern.
Hol mir! Hol mir! So flüstert es aus der Bäche nassen grünen Wänden.
Kein Mucks:
Hab dich:
Isebert. Dein Bart tropft von blutgen Dingen.
Überall seh ich güldene Ringe.
Potzblitz! Verrecken möchte ich. Hol mir!
Auf der Stelle. Baumeln! Siehe: ich sehe merkwürdige
Dinge. Ein Wagen rollt dort wo kein Weg ist. Ein Rindvieh frisst die
Menschen schwer wie Steine. Heraus mit den Messern! Lasst uns
umhergehen damit der neuen Tatze Stern erscheint..der Himmel kaut
uns wohl. Denn wir sind Klingen..
Isebert: Ich bin jetzt zum Haus geworden. Zum Obacht! Zum Donner
den ich leiden mag. Zum süssen Zunder.
Zum Tag der furchtbar enden will.
Herr im Himmel
Allmächtiger
auf dem grossem weißen Schimmel.
(der Regen und der Wind formen ein Gesicht aus dem Wald in das sie
einschlagen wie irr) Ein Gesicht:
Das stumm wird. Hol doch!
Mein Gesicht. Mein Gewicht aus Fleisch.
Das wiegt wehe. Das wächst wie ein Pilz. Lass dich aufbrechen wie ein
braves Wild. Laß dich besudeln mit Blut und meinen Tränen.
Waidmanns Werk will wirken wohl.
Heilig sind wir werden wir wenn Welt wunderbare Waffen Wahn
entfaltet.

Jörg Simon

Clichy to Corfu

An Easter Tribute to Henry Miller

© Ewart Reder

Eschenheimer Turm I

Für Ruth Schwarz

Seltsames Ausflugsziel am Verkehrsfluß. Auf seiner Insel steht er als Turm der Wochentage. Gestank weht um ihn, der Lärm wird großspurig, nachdem die Straßenkehrer morgens an seinem Fuß die Pflastersteine fegten. Am Abend verebbt die Bewegung und schmilzt zusammen in das Blinken der Kinoleuchtanzeigen seiner Flanke. Dazwischen legen schöne bunte Segelschiffe bei Klamotte an, treiben weiter und verschwinden, die Strasse hinunter. Um die Ecke läutet die „12“ noch einige Male, vorsorglich, bevor sie aus der Innenstadt verschwinden wird; auch das unterschied diesem Turm die Nacht vom Tag mehr als den anderen Türmen, und das Ausflugslokal hat hier sogar Räder.

Dafür hat der Turm vor der Großstadttribüne mit dem Bayer-Dach als einziger Geranien. Ihr erdiger Geruch müßte um die Wette wedeln mit dem rot staubenden Zerfall des Eckhauses, um das die Straßenbahnen einen Bogen machten. Und der Gedanke war nicht naiv „Die langsame Fahne des Steins“: Wo die Geschwindigkeit so selbstverständlich ist, daß die Bewegungen im Mineral unnatürlich scheinen, ist diese Fahne in nur einem Jahr um 2 Centimeter dicker geworden. Die Beschleunigung ist gewaltig. Der Turm zerfällt aus seiner Höhe, die Erker legen ihre Fahne aus dem ältesten örtlichen Mörtel zusammen am Estrich der Eckzimmer. Ich fühle mich überflüssig, es sind nicht meine erlebenden Augen, die seinen Raum auflösen, es ist die achtlose Gleichgültigkeit und Fassadentechnik in einer Stadt, welche sein Inneres zersetzen. – Soll ich deutlicher werden?

Ich will deutlicher sehen, solange der Turm hält. – Die Bilder um ihn besagen nicht viel. Sie stehen fest, trotz der Bewegungen darin; sie geben die Einrichtungen zwischen den Fassaden der urbanen Korridore. (Was füllt die Zimmer dahinter?) Sollte ich mir die Geschichte des Hans Winkelsee aus der Sicht ihrer Fenster erzählen lassen? (Wie erzählte sie der Turm?

Vorerst suchen meine Augen entlang ihrer eigenen Geschichte.) Sie ist haltlos.

Das Wappen der undankbaren Stadt hält den Blick kaum fest, die Feuerglocke, die den Dank verdient hätte, hängt still, schweigt schwarz oxydiert; auch die hochschartigen Fenster sind duster, das flatterhafte Taubengurren zersetzt selbst meinen längsten Anblick. Was hatte ich vor?

Ich suche die Höhe. Dagegen ist von unten der Torbogen: zu flach gespitzt hält mich der kleine Kopf des Baumeisters im Schnittpunkt auf. Seine Spitze ist nicht die Richtung des Turmes. Sie ist steil, aber aus der Nähe sieht man (da mußte die Gotik für die Augen vor den Domtürmen noch ihre Verlangsamungen erfinden) über sie hin und gleich ist man bei der Blechfahne, die wieder ihre Geschichte erwartet aus einem der kleinzelligen Fenster.

Auch Abwärts ist keine Richtung von oberhalb des massigen Grundquadrats. Meine Augen laufen immer andere Anhaltspunkte an, rastlos, wie die Ampelphasen neben mir. Aber: (Was zersetzt die Höhe?) Meine Augen bleiben auf dem Turmrund. (Wie mächtig ist es?) Seine Rundung ist fast Wand. (Dieser Turm läßt die Höhe an sich abgleiten.) Seine Wandung hält den Blick in keiner Höhe. (Ich bin, wo ich war, abgewiesen vom Leib des Rundturms.) Ich komme nicht hinein.

                   *

Nur das Eckhaus, das dem Verfall des Turmes am nächsten steht, kennt seine Stockwerke – aus den eigenen Erkern, die es ihm hinüberhält. Mir bleibt er fremd.

Die befahrenen Straßen haben den Fluß durch die Stadt ersetzt; das andere Tempo und die Vielzahl der Bewegungen lassen mich am Turm neben dem Verkehrsfluß Schiffbruch erleiden. Dieser Turm ist ein Bollwerk. (Noch auf dem Weg vor ihn hin hatte ich die Springbrunnen gesehen. Ihre Höhe war offener in den aufsteigenden Schalen: Darüber warf sich ein Strahl empor, verteilte sich, wurde in einer Verschiebung langsamer und fiel seitlich herab, so daß die Erhöhung im fortlaufenden Gleichgewicht stand. Diesen Verlauf der Höhe konnte ich nachvollziehen. –

Ein Bündel von Blechstücken, die nebeneinander aufsteigen und sich senken, hätte das Wasser ersetzt. Um der Bündelung des vorherigen Pumpenstrahls zu entsprechen, müßten die silbrigen Bleche im Hinaufschnellen etwas gerader laufen als beim Niedergehen. Viele schimmernde Metallblättchen im Gleichgewicht ihres aufgeworfenen Umlaufs. Ein steiles Hinauf mit einem Bogen abwärts zum Ausgangspunkt. Und weiter. – Nur die Brunnenschale fällt mir nicht ein in diesem Modell.)

Meine Sprache findet ihren Vorgang nicht wieder.

                   *

Von der Wandung in den Rundturm ist nichts gelungen. Der Turm ist weder Mast noch Mauer, die ehemalige Hermetik läßt sich nicht herstellen in der Hektik der Stadt. Wie aber konstruiere ich aus diesen beiden (Hektik und Hermetik) die Möglichkeit eines Zugangs? (Indem ich ein neues Zeitmaß annehme, das er voraussetzt?

Zweifelsohne habe ich die mir eigene Geschwindigkeit verloren, die mich in der menschenleeren Szenerie jener Türme zurechtfinden ließ, die zögernd in einem Waldstück oder auf einem ebenfalls stillstehenden Belsen besucht wurden.) Ich erinnere mich der Beststellung, daß Turm die Unterstützung günstiger Um-Stände brauchte. (Hier verläuft alles.) Vielleicht müßte man in diesem Turm leben, um ihn zu lernen. – Ich will ihn in und auswendig lernen. Ich muß die Geschichte dieses Turmes zu seiner Umgebung hinzufügen. (Ich werde seine Bedingungen lernen, wiederkommen und in seine Zimmer steigen.)

Axel Dielmann

Euridices Bar

© Ewart Reder

Euridices Hintern

© Ewart Reder

Die Musik und die Helden

Anfang von Moneteverdis „Orfeo“:

Ritornell

DIE MUSIK
Vom Quell des Permessos komm ich zu euch hernieder,
ruhmreiche Helden von königlichem Blut.
Von euch erzählt die Sage grosse Taten, doch
kann sie nie genug berichten, da es zu viele sind.
© Ewart Reder

Ich bin die Musik', die mit lieblichen Tönen
dem verwirrten Herzen Ruhe schenkt.
Bald zu edlem Zorn, bald zur Liebe vermag ich
selbst eiserstarrte Sinne zu entfachen.

Singend zum Klang der goldenen Zither
entzücke ich zuweilen das Ohr des Sterblichen
und erwecke in der Seele die Freude an den
klangvollen Harmonien der Himmelsleier.

Nun will ich euch von Orpheus berichten,
der mit seinem Gesang die Tiere zähmte
der durch sein Bitten sogar die Hölle bezwang,
und unsterblichen Ruhm auf dem Pindos und dem Helikon errang.

Wenn ich nun meine Lieder singe, mal heiter, mal traurig,
soll der Vogel im Baum unbewegt lauschen,
soll keine Welle an die Ufer schlagen
und jedes Lüftchen still verweilen.

Berliner Gewässer

Schwer trägt der Kanal am Laub
wie an einer unvergesslichen Liebe.
Andere sind Flüsse geblieben
ihren Ehen verflossen in Ebenen.

Keiner hat seine Gedanken gesucht
jeder bettet sie in seinem Namen.
Begründet ist nur das Gebetete:
mit Trümmern die jeder schlucken musste.

Ewart Reder

Ein Beweis, dass es ganz anders zugehen könnte in der Schule

© Ewart Reder

Der Verkehr , den wir brauchen.

© Ewart Reder
Du nimmst mir den Atem
Spielst mit den Sinnen
Du nimmst die Kontrolle 
Ich geb' sie dir hin
Du legst sie mir an
Ich lege mich hin 
Bedeckst sie sanft
Ich finde mich blind
Nimmst meine Hände
"Sie bleiben nun dort."
Ich ergebe mich dir
Und dann flieg' ich fort 

Dein Bild eingebrannt
Das Feuer, die Spitze 
Das Rot und die Lust
Spüre die Hand und die Hitze 
Vergötter' dein' Mund
Den Duft, jeden Kuss 
Führ' mich an Grenzen
Wir treiben im Fluss 
Und kaum dass es endet 
Noch einmal mehr - der Genuss 

Vanessa Verzay

Zwischendrin ist alles einen Augenblick lang ganz ruhig
Vergraben in Umarmung, atmen wir durch 
Atmen wir aus und tief wieder ein
Zwischen den Laken und Decken, auf höchster Stufe vereint 

Meine Hülle schwebt nun gar über dir, 
In dir steckt in diesem Moment ein Bruchteil von mir 
Hier oben ist nichts, außer das "jetzt" und ein "wir"
Spiel' lauter, noch lauter, mein schönes Klavier 
Die Töne, immer höher, begleiten das Lied 
Ich tue, was immer die Sehnsucht befiehlt 
Wir liegen befriedigt in vollkommener Tiefe
Nicht nur Augen sind der Seele Spiegel

Vanessa Verzay

Freude des Orients

© Ewart Reder

Naye Ausschnitte

Fotorezension der „Ernst Wilhelm Nay Retrospektive“ im Museum Wiesbaden 2022/23 – als solche (wie auch die Einzelbilder) künstlerische Eigenleistung von Ewart Reder. Das Museum Wiesbaden soll sich freuen. Wem die Bilder gefallen, geht sofort in die Ausstellung.

Die sechs letzten Nächte

A: Was sind wir?
B: Nichts dergleichen, was sie kennen.
A: In wie vielen Mündern nahmen diese Worte bereits Platz?
B: Wir sind verstörend, treffen wir aufeinander.
A: Du weißt das. Ich auch. Können wir nicht einfach sein?
B: Ich möchte mich an dir erledigen, auf kunstvolle Weise, in einer Welt, in der sie Kunst nicht bemerken, wenn sie direkt vor Augen liegt. Bluten, in einer Welt, in der sie das rote Gold nicht schätzen, nur Schmerzen damit verbinden.
A: Schmerz wirkt tröstend auf uns, aber es ist alles, außer möglich.
B: Spürst du es nicht. Ich will so vieles.
A: Spürst du es?

Vanessa Verzay

Bedeutung

A: Alles kann das Ende sein, aber nimmermehr der Anfang.
B: Was soll’s.
A: Mich bringt’s um den Verstand.
B: Um welchen? Hast du ihn nicht bereits zig Mal verloren?
A: Verlieren ist finden, weißt du das nicht? Die Augen sind nur dann offen, wenn sie geschlossen sind.
B: Immer ist 1 bei dir alles, nur nicht 1. Kann 1 nicht einfach 1 sein?
A: Beschreibe mir, was 1 ist. Benötigst du dafür nicht Worte, die über die 1 hinausgehen.
B: 1 ist 1.
A: 1 was? 1 ist nur der Pfeil. Die Anzahl. Von irgendwas.
B: Schreib doch eine 1 auf ein Papier und zeig, was anderes sie ist, außer einer verdammten 1.
A: Eine An-Zahl, ein Gebilde, ein Symbol, ein Zeichen. Es steckt so viel dahinter.
B: Aber sie ist keine 2.
A: Sie ist dennoch mehr als bloß „1“.

Vanessa Verzay

NR 5

NESPRESSO
STARBUCKS
MOBILISATION
JACK&JONES
WETRANSLATION – englische Aussprache -
METRANSPLANTATION – englische Aussprache -
PUTINEXPLORATION – dt.A.
BIDENCONTRADIKTION - dt.A.

NR 6

Schnee von gestern!

Auf den Straßen.

Mir machst du nicht vor!

Das Wetter regiert die Welt.

Alle Wetter! 

NR 8

ASIATISCH

Sympathisch?
Land
an und
für sich
authentisch
und modern
im Kern.
Lebendig
und wendig.
Großmächtig,
als Goliath
ein aufgehender Stern?

Cornelia Kube-Druener, aus: „AUTOKORREKTUR 2022“

Es fliesst I

© Ewart Reder

Es fliesst II

© Ewart Reder

Es fliesst III

© Ewart Reder

Türsteher

Zwei tiefengebräunte Herren im endgültigen Jugendalter nehmen am Nebentisch des Cafés Platz und beginnen zu frühstücken. Markanter als die Gesichter sind die Tattoos auf allen vier Oberarmen. Deren Maximalumfang ist auf jeden Fall das Markanteste. Das Gespräch dreht sich um Berufliches, das mit Gewaltanwendung und deren unterschiedlicher Effizienz zu tun hat. Am besten von allen im Verlauf des Gesprächs erwähnten und beurteilten Berufskollegen macht es ein Tarik, denn der schlägt so gut wie nie zu. Warum? Weil jeder weiß, was aus denjenigen später wurde, bei denen Tarik vor Jahren eine Ausnahme machte und, als er zuschlug, zunächst den Oberkiefer und anschließend noch so dies und das zerbrach. In der Folge muss Tarik nur noch wenig sagen, was seinem Begabungsprofil auch entgegenkommt, vor allem, dass er Tarik sei und dann wissen die Gegenüber Bescheid und benehmen sich so, wie Tarik es will. Auch ich, der diese Nachricht nur wegen seiner ausgeprägten Hörbegabung empfängt, bin schlagartig bereit mich so zu verhalten, wie Tarik, falls anwesend, es sich von mir wünschen würde, und keinesfalls anders oder gar daneben. Was Tarik anderenfalls alles mit mir machen könnte und zuverlässig würde, kann ich nur erahnen, da die zwei Männer, nachdem das Wichtige gesagt ist, ihre Stimmen rücksichtsvoller Weise so weit senken, dass außer dem auf jeden Fall gesetzwidrigen und höchstwahrscheinlich mörderischen Charakter der Ausführungen nichts nach draußen dringt, jedenfalls nicht zu mir. Folgerichtig entfaltet das zirka halbstündige Gespräch der zwei Männer seine Hauptwirkung durch die kontinuierlich abnehmende, nach zehn Minuten kaum noch messbare Lautstärke, flankiert von flackernden Seitenblicken, ob auch bestimmt keiner lauscht. Die Botschaft ist ja klar: Gewalt ist für die beiden reserviert, sichert sie ab insofern, als andere als gewaltsame Mittel es immer schwer haben werden gegen eine entschlossene und rücksichtslose Gewaltanwendung. Womit ganz nebenbei der unumschränkte Herrschaftsanspruch zweiter Männer über alle Umsitzenden und potenziell sich Einmischenden proklamiert ist und wenn die zwei für Momente so etwas wie Freude oder doch Zufriedenheit ausdrücken, dann darüber, dass alles ihrer Herrschaft unterliegt, wodurch es vor allem eins ihnen nicht mehr bereiten kann, das wohl in ihrem bisherigen Leben noch nicht so gut klappte, wobei man nie nie sagen soll – Kopfzerbrechen (von innen).

Was passieren würde, wenn die zwei Gewalthaber sich veruneinigen und ihre Gewalten wechselseitig gegeneinander richten würden, ist das einzige Rätsel, das sie mir aufgeben. Das ihnen so allein und von jedem Nachbargeheimnis unbegleitet auch nicht wirklich gut steht.

Ewart Reder

‚Tot‘

Verdauung ist ein älteres
System als ich
in mir ist der fünfte
Schöpfungstag
auch wie noch nicht vergangen
anderes Leben
andere Musik
andere Videos
rollende Sonnenflecken
unter Wasser
auf einem langen ‚toten‘ Ast.

Ewart Reder

„Ich fühle mich…“, setze ich an, angelehnt an die Wand, die Hand wild umhergestikulierend. Verstumme. Bevor der Rest des Satzes schwingend durch den Raum gleitet, weiche ich zurück, wild, schreckhaft. Ängstlich. Ertappt. Die Summe aller Fehlschläge entfaltet ihre Kraft. Gedacht, es wäre machbar dieses eine Mal den Hahn zugedreht zu lassen. Keine Ängste, die durch meine Rohre fließen und im Abflussrohr die Anläufe hin zum Mut verblassen lassen wie Wasser ein Blatt Papier. Auf dem steht geschrieben „ich brauche ein bisschen mehr Liebe“.

Nur grade. Nach dieser Phase. Ein bisschen mehr Schutz und Sicherheit. „Schenk mir Sonne. Schenk mir Wärme. Schenk mir Licht.“ „Gib mir einfach nur ’n bisschen Halt

Und wieg mich einfach nur in Sicherheit.“

Kalt ist es gerade häufig und das Geseufze am Esstisch oder am Telefon macht es nicht besser. Ich erkenne, dass das nicht an dir oder an mir liegt, ich erkenne so vieles, aber erkennen beendet den Krieg nicht. Nicht allein. Sitzend daheim reimen sich die Dinge, die zu sagen wäre, nur schwerlich erreichen sie das zu Erreichende.

Vanessa Verzay

…Und langsam meinen die Stimmen „hör einfach auf“. Gerne würden die Stimmlippen schwingen und stimmhaft Botschaften überbringen. Stimmlippen ist das wissenschaftliche Wort für Stimmbänder. Du erkennst das. Der random Fakt. Aus dem Nichts vor die Füße geknallt. So leicht, denn der Widerhall ist nicht so stark, wenn es was ist, dessen Lautstärke nicht alles überragt, dessen Wurzel nicht tief in mir liegt und nach Wasser fleht. Noch ist es nicht zu spät, aber irgendwann und hoffentlich habe ich bis dann erwähnt, was mich so quält. In der Hoffnung, dass man es nicht in der Luft zerschlägt.

Vanessa Verzay

Ob ich das bedacht habe, fragst du mich und lehnst deine Augenbraue gegen deine faltenreiche Stirn im Gesicht.  Ich sinniere darüber, woher die Falten kommen, denn nach viel grübeln siehst du definitiv nicht aus. „Aus die Maus“, unterbreche ich den Gedankengang, ist doch ein jemand immer mehr als der Oberflächenangespanntheit anzuerkennen oder „abzuverlangen“. Trägheit setzt sich in die Poren meiner Haut, schleicht unermüdlich müde, bis das Gegenüber begreift, dass es soweit sei, seine Frage zu relativieren. Ob ich die Möglichkeit denn gehabt hätte es anders zu gestalten, so lautet die versucht nettere Variante. Ich schwanke zwischen lachen und verprügeln, aber lächle nur müde. Natürlich und nicht du Idiot. Das ist es, was ich, so zeigt mein rotes Gesicht, gerne vermischt mit Tritten hinklatschen würde, doch ich habe gelernt die Würde am Schwanz zu packen. Nochmal entwischt sie mir nicht, diese Ratte. Pass auf, schmeiße ich in den Raum, man weiß genau es gäbe Art und Weisen auf andere Weise zu verscheißen oder eben was zu reißen, denn rein objektiv betrachtet, gibt es grenzenlose Reisen, geht man in Gedanken rein hypothetisch theoretisch alle Fälle durch. Mein overthinker-Hirn bediente sich ein paar der Wege, drehte sich und flog und sank und nahm mir den Verstand. Zehntausend Szenarien später hab ich dann, pass gut auf, erkannt, dass es anders auch Hand und Fuß hätte. Aber nicht meine. 

Du sagst

Die Patschehändchen halten noch

Zusammenkleben geht noch immer

Ich steh‘ da und seh den Haufen

Seh die Scherben, hör’s Gewitter

Du liegst nebenan,

Ich liege in diesem Zimmer

Du weinst stille Tränen, aber ich, ich höre doch Gewimmer

Niemand schafft’s zu trösten, doch ich brauche doch deine Arme

Lege meinen Kopf auf deine Brust zum Schlafen 

Vanessa Verzay

aus „Autokorrektur 2022“

Das Auge
sucht Sehstücke,
balanciert senkrecht
und waagerecht,
notiert Eindrücke.
„Ich habe gesehen,
also bin ich!“
…es klickt,
wird rundgeschickt.
DAS LACHEN
kehrt ein,
guter Hausgeist!
DAS LACHEN
kehrt aus,
ein Besen!
So, sauber gefegt,
so, lustig geregt,
lässt es sich leben!
WÖRTER -
gerne einfach benutzt,
verwebt im Gehirn
mit Garn und Faden,
Wolle und Zwirn.

WÖRTER -
an schnellen
Ideen zerschellt,
von wirren
Gedanken umstellt.

Cornelia Kube-Druener

Thematisch bin ich schlagbar mit den immergleichen Dramen

Aber Worte die sich wandeln und die Erde neu besamen

Drehst du dich um den gleichen Punkt mit den rund immergleichen Sätzen

Wird dich kaum noch jemand schätzen ohne artikulare Wahnsinnsschätze

Texte die sich beißen mit den immergleichen Reizen sind im Endeffekt dann doch nichts anderes als immergleiche Scheiße

Anders sein lauten Devisen, als gäbe es die Möglichkeit

Leg dich unter deine Fliesen, wenn du dir mit dem Versuch die Zeit vertreibst

Weil: das wurde alles schon gesagt, ungefähr zig mal in diese Welt getragen mit allen Farben, allen Fahnen

Nuancen sind die einzigen noch nicht so oft gesehenen Sachen bei der Sache
Vanessa Verzay

Die Plappermaschine

Die Plappermaschine redet
entwirft Laute
streicht Konsonanten durch
widerspricht äußert ein Argument
Es kratzt über den Boden
ergreift den Schrubber
putzt eine Stunde lang die Tür
wankt ins Bad
und erbricht sich
Joachim Durrang

Idyll

Aus dem Schornstein
quillt eine Wolke
setzt einen Sonnenhut
aufs Haar
pfeift ein Lied
die Amsel bewegt Beine und Flügel
durch eine Feder streicht
ein Lichtstrahl
Joachim Durrang

Die Nachahmung

Erst war der Vogelgesang
da ahmte Adam
Zwitschertöne nach
in die sich Gedanken mischten
zum Tanz von Tönen
entfaltete sich der Sinn
Joachim Durrang

Das Friedenstelefon

© Ewart Reder
Das Liebesnest ruft an:
Wo bleibt ihr?
Die Sterne flüchten:
unbegleitete Kinder.
Die Blumen verweinen 
letzte Zehncentstücke.
Verschlafen räkelt sich der Fluss
im Aufwachkabel:
verflossen die munteren
Sprechmöglichkeiten.
Die Hunde gucken zu
und denken:
Die können es nicht
wir dürfen es nicht.
Immer noch besser
ihr würdet Männer
rät die Hure.
In Achills Keller
magert das Trockengemöse.
Die Amsel 
nimmt sich trotzdem Zeit
für Komplimente
und Zuhören.
Das Wichtige.

Ist es das was euch fehlt?

Ihr seid uralte Männer. Jede/r auf der Welt versteht euch.

Liebe gute Welt, entspann dich. Bitte.

Wozu bin ich hübsch?

Mittwoch, 2. Februar von 15 – 16 Uhr 

Montag, 7. Februar von 16 – 17 Uhr (Wdh.)

WortWellen


Verlorene Fragen treiben auf der trüben Suppe. Aber sie kann trotzdem schmecken und wer will verlorenen Bildern nachtrauern nach einer tiefer unter der Schürze genossenen Wärme? Aber was wird aus mir? Bange Fragen bilden sich neu, steigen an abkühlende Oberflächen. Und was machen sie außer bange? 
Die Pandemie hat junge Menschen besonders tief getroffen, verwundet. Sich schützen ist okay, einen anderen Menschen schützen kann das schönste Beginnen sein. Aber was wird aus einem Leben, das noch nichts erfahren hat außer schützenden Aufschub? Das Schönste kann daraus immer noch werden. Sagen zwei Poetinnen, denen ihr heute zuhört, deren Bücher unter eurer Schürze schlagen wollen wie zwei Schwesterherzen: Marica Bodrožić: Pantherzeit (Essay), Safiye Can: Poesie und Pandemie (Gedichte)

© Ewart Reder

Neujahr

Ich fand eine Biene
in unserer Christrose.
Obwohl sie stolperte
vor Kälte
flog sie unermüdlich
alle Blüten ab
tat 
alles was das Leben sagte.

Ich machte ein Gedicht.
Es sagte mir
was ich gesehen hatte.
Ich wollte
es fortsetzen mit Vorsätzen
die mir einfielen
aus Liebe
aus Unausgefülltsein.

Aber die Hand
schreibt nicht.

Ich stelle meine Verse
unter Naturschutz.
Ich will nichts mehr 
verbessern
was angekommen ist
bei mir.
Ewart Reder

Besuche das digitale Ewart-Reder-Museum